Dieser Weg wird kein leichter sein

Gebäudeenergiegesetz Schwabachs Grüne luden Leute aus der Politik und der Praxis ein.

04.08.23 –

SCHWABACH - Die Bundespolitik ist (weitgehend) in die Sommerpause entschwunden, um den Aufreger der vergangenen Monate, das Gebäudeenergiegesetz der rot-gelb-grünen Ampelregierung in Berlin, ist es zuletzt merklich ruhiger geworden.

Vom Tisch ist das Gesetzesvorhaben aus den Ministerien für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauen (Geywitz) sowie Wirtschaft und Klimaschutz (Habeck) aber nicht. Es soll in der ersten Septemberwoche vom Bundestag beschlossen werden und tritt dann zumindest in Teilen zum 1. Januar in Kraft.

Die Irrungen und Wirrungen beim Entstehen des Gesetzes haben vor allem den Grünen schweren politischen Schaden zugefügt. Hass und Häme wurden über ihnen ausgeschüttet. Minister Habeck, dem schwere handwerkliche Fehler unterliefen, wurde vom beliebtesten zum fast unbeliebtesten Politiker. Flankiert von der Bild-Zeitung („Heizungs-Hammer“) machten Halbwahrheiten und Falschmeldungen die Runde, die nur noch schwer aus den Köpfen der Menschen zu bringen sind.

Grund genug für Schwabachs Grüne, sich dem Mega-Projekt mit Hilfe von Praktikern und mit Hilfe der Wissenschaft anzunähern. Deshalb standen im Evangelischen Haus neben dem heimischen Bundestagsabgeordneten Sascha Müller der neue Stadtwerke-Leiter René Lukas, der Energieberater Tom Kirsten und der Forschungskoordinator Dr. Thomas Pircher vom Energie-Campus Nürnberg Rede und Antwort.

Im Folgenden haben wir die wichtigsten Fragen und Antworten zusammengefasst.

Warum brauchen wir ein neues Gebäudeenergiegesetz?

Die Große Koalition unter Kanzlerin Angela Merkel hat sich festgelegt: Bis 2045 muss Deutschland klimaneutral wirtschaften und heizen. Bayern will das nach dem Willen der CSU-geführten Landesregierung schon 2040 schaffen. Andernfalls würden die in Paris von den Staaten verbindlich vereinbarten Klimaziele deutlich gerissen. Die Ampel-Regierung hat sich nun daran gemacht, die unverbindlich erscheinenden Ziele mit konkreten Maßnahmen zu unterfüttern - und das ein Jahr früher als im Koalitionsvertrag vereinbart. Hintergrund war der russische Angriffskrieg auf die Ukraine, der Deutschlands Abhängigkeit von (billigem) russischen Gas deutlich gemacht hat.

Warum wurde so heftig über das GEG gestritten?

Weil es fast alle Bürgerinnen und Bürger betrifft: Sowohl die Immobilienbesitzer als auch indirekt die Mieter. Dass Klimaschutz vor dem eigenen Heizungskeller nicht halt macht, ist vielen neu.

Was bedeutet das Gesetz für jeden Einzelnen?

Zunächst einmal, was es nicht bedeutet: Niemand wird gezwungen, eine funktionierende Öl- oder Gasheizung auszubauen. Sollte sie kaputt gehen, kann sie so oft repariert werden, wie dies möglich und wirtschaftlich sinnvoll ist. Kommt aber eine neue Heizung, so muss diese zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien laufen. Öl- und Gasheizungen scheiden damit aus. Technisch am einfachsten und am effektivsten sind Wärmepumpen, die seit über 100 Jahren auf dem Markt sind, sowie (kommunale) Nahwärmenetze beziehungsweise Fernwärmenetze.

Gilt das für alle Bürger?

Die 65-Prozent-Regel gilt ab 2024 zunächst einmal nur für den Neubau. Die Kommunen müssen in den nächsten Jahren kommunale Wärmeplanungen machen. Danach aber sind auch die Bürger in älteren Häusern am Zug. Sie müssen sich früher oder später entscheiden: Hänge ich mich ans Netz (so es denn eines gibt) oder suche ich mir meine eigene, individuelle Lösung.

Wärmepumpen sind aktuell noch viel teurer als eine Gastherme, und sie funktionieren umso besser, je besser das Haus gedämmt ist, was die Kosten weiter nach oben treiben dürfte. Besteht da nicht die Gefahr, dass viele Menschen finanziell überfordert werden?

Die Ampel-Regierung plant eine großzügige soziale Abfederung. Es winken Förderungen zwischen 30 und 70 Prozent sowie als Schutz für Mieter eine Deckelung und als Schutz für Vermieter eine Härtefall-Regelung. Zudem gibt es verbilligte Kredite für Leute, die ansonsten nur noch schwer an Kredite kommen, zum Beispiel Rentnerinnen und Rentner.

Die Wärmepumpe elektrifiziert nach und nach unsere Heizungen. Auch der Verkehrssektor wird weitgehend elektrifiziert. Woher soll denn der ganze Strom kommen?

Er soll durch einen massiven Ausbau von Windkraft- und Fotovoltaikanlagen gewonnen werden. Bis 2030 sollen vier von fünf verbrauchten Kilowattstunden aus erneuerbaren Quellen kommen, bis 2035 soll die Vollversorgung erreicht sein.

Und was ist, wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht?

Eine der großen ungelösten Fragen, die nur in der Theorie zu beantworten sind. Große Speicher würden Abhilfe schaffen, doch die sind in der benötigten Menge nicht in Sicht. Am Ende wird es smarter Netze und vieler dezentraler Lösungen - auch das aufgeladene E-Auto kann wieder Strom abgeben - bedürfen, damit die Lichter nicht ausgehen.

Und was ist mit der viel zitierten Technologieoffenheit und der vermeintlichen Wunderwaffe Wasserstoff?

Dr. Thomas Pircher vom Nürnberger Energie-Campus hat dazu eine klare Meinung. Der aus Elektrolyse gewonnene (grüne) Wasserstoff ist viel zu ineffektiv (um den Faktor 17 ineffektiver als eine Wärmepumpe) und viel zu teuer, um ihn fürs Heizen zu verschleudern. Vielmehr werde er in der Düngemittel-, in der Glasindustrie, in der chemischen Industrie, in der Stahlindustrie und möglicherweise im Schiffs- und Flugverkehr zum Einsatz kommen.

Wer macht in Schwabach eigentlich die Wärmeplanung, die dem faktischen Aus für neue Öl- und Gasheizungen vorgeschaltet ist?

Ein schönes Beispiel, wie kompliziert in Deutschland alles ist. Die Stadtwerke wollten im Vorjahr eigentlich loslegen, wurden aber von München zurückgepfiffen. Das sei Aufgabe der Stadt. Daraufhin hat die Stadt einen Antrag gestellt, weil es für eine solche Wärmeplanung schöne Zuschüsse gibt. Der Antrag ist aber noch nicht bewilligt. Und so lange der Schwebezustand anhält, kann es mit der Wärmeplanung nicht losgehen, weil man ansonsten die Zuschüsse zu verlieren droht.

Wenn die Wärmeplanung nicht zu ihren Aufgaben gehört, was tun die Stadtwerke dann für diese Energie- und Wärmewende?

Die Stadtwerke betreiben derzeit drei Nahwärmenetze: im O´Brien-Park, in der Flurstraße und am Wasserwerk. Aber das kann nur ein Anfang sein, wie Geschäftsführer René Lukas einräumt. Vor allem im Altstadtbereich erscheinen Nahwärmenetze die sinnvollste Alternative, um Gebäude weitgehend klimaneutral zu beheizen. Denn individuelle Lösungen sind dort mancherorts nur schwer umzusetzen. Zum Beispiel dann, wenn das Altstadthaus an allen vier Seiten auf der Grundstücksgrenze steht.

Lukas weiß, dass Millioneninvestitionen auf den Energieversorger zukommen. Dabei ist es schon eine Herkulesaufgabe, wie versprochen bis 2030 jedem Schwabacher Privathaushalt 100 Prozent Ökostrom anzubieten. Die installierte Leistung muss dazu in den nächsten sieben Jahren mehr als verdoppelt werden, Lukas rechnet mit Investitionen in Höhe von 54 Millionen Euro. Dabei kann der ganze Strom gar nicht in den engen Stadtgrenzen erzeugt werden. Aber die Stadtwerke sind an einer ganzen Reihe von Windparks und Freiflächen-PV-Anlagen beteiligt. Vor Ort dürfe man aber nicht die Hände in den Schoß legen. „Es kommt auf jedes Dach an“, so der Stadtwerke-Geschäftsführer.

Die Ampel wollte doch auch Kaminöfen, Holz- und Pelletsheizungen verbieten, oder?

Nein, wollte sie nicht. Das kam eher aus der Europäischen Union. Aber zumindest die Grünen stehen Holzheizungen zumindest kritisch gegenüber. Sie gelten zwar als Kohlendioxid-neutral. Aber eben nur so lange mindestens genauso viel Wald nachwächst, wie Holz durch Heizkessel und Kaminöfen verfeuert wird und solange der Heizstoff nicht aus Rumänien, Kanada oder anderen Ländern importiert wird. Holzheizungen, die sich vor allem auf dem (waldreichen) Land einer großen Beliebtheit erfreuen, werden also weiterhin eine Zukunft haben, aber doch in gewisser Weise Nischenprodukt bleiben müssen. Eine Obergrenze steht aber nicht im Gesetz.

Wärmepumpe, Spitzenlast-Abdeckung, Hausdämmung, Pelletsheizung, Leitungen, die „Wasserstoff-ready“ sind. Wer soll da, bitteschön, noch durchblicken?

Der Energieberater Tom Kirsten vom Architekturbüro Rester rät: „Nehmen Sie sich einen Energieberater.“ Es müsse zu jedem Haus, zu jeder Wohnung die passende Heizung gefunden werden. Die Fachleute hätten am ehesten den Überblick über mögliche Förderungen, über Hindernisse und Chancen. Kostenlos ist so eine Energieberatung natürlich nicht. Aber auch sie wird staatlicherseits gefördert. Ein Invest, das sich lohnen könnte.

Was die Ampel mit dem Gebäudeenergiegesetz vorhat, weiß man inzwischen ungefähr. Aber reicht das? Was sagt die Wissenschaft dazu?

Die Europäische Wissenschaftsakademie fordert eigentlich ein sofortiges Verbot neu installierter Gasheizungen. Sie fordert die Fokussierung auf die energieeffizienteste Wärmelösung - derzeit ist das die Wärmepumpe. Sie fordert einen viel schnelleren, radikaleren Ausbau der erneuerbaren Energien. Und sie rät händeringend dazu, die nötigen Fachkräfte zu suchen und auszubilden, damit der Umstieg schnell gelingt. Thomas Pircher vom Energie-Campus fasst es so zusammen: „Wir müssen aufhören, das Zeug (gemeint sind Öl, Gas und Kohle, Anm. d. Red.) zu verbrennen, egal wie.“

Wie fiel das Resümee des Abends bei den Grünen aus?

„Ich bin optimistisch, dass wir es hinbekommen“, sagt Bundestagsabgeordneter Sascha Müller. „Aber leicht wird der Weg nicht, das haben wir heute vor Augen geführt bekommen“, ergänzt die Landtagsabgeordnete Dr. Sabine Weigand, die durch den Abend führte. Dr. Roland Oeser, Mitglied im Kreisvorstand der Grünen, will es pragmatisch angehen. „Wir befinden uns in einem Prozess.“ Noch seien nicht alle Fragen geklärt. „Aber die Reaktion auf ungeklärte Zukunftsfragen kann ja nicht sein, dass wir uns zurücklehnen und gar nichts tun.“

Copyright: Schwabacher Tagblatt, 4.8.2023

 

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