Landwirtschaft und Klima - Dr. Anton Hofreiter in Schwabach


Die Diskussionsveranstaltung mit Toni Hofreiter im Bürgerhaus ist vorbei, gerade hat der Fraktionschef der Grünen im Bundestag noch einige Exemplare seines neuen Buchs „Fleischfabrik Deutschland“ signiert, da bitten vier junge Leute noch um ein Interview. Hofreiter nimmt sich Zeit — auch für „Sidekick“, die Schülerzeitung des Adam-Kraft-Gymnasiums.

SCHWABACH — Zwei Acht- und zwei Zehntklässler sind mit Block, Smartphone und Fotokamera ausgerüstet — und sehr gut vorbereitet. Freundlich im Ton, stellen sie kritische Fragen und haken nach.

Wieso man denn die Grünen wählen solle, wo doch unter Rot-Grün wichtige Reformen so schlecht umgesetzt worden seien, fragt einer der Sidekick-Redakteure. „Es stimmt, bei Hartz IV ist einiges schiefgegangen. Da hat es Fehlentwicklungen gegeben“, räumt Hofreiter ein.

Was er sich von der Bundestagswahl am 24. September erhofft? „Dass die AfD unter fünf Prozent bleibt und die Grünen wieder die Chance bekommen, in die Regierung zu kommen.“ „Und mit welcher Koalition?“, wollen die Schüler wissen. „Am liebsten wäre uns natürlich Rot-Grün, aber danach sieht es momentan ja nicht aus“, sagt Hofreiter. „Es ist schwierig. Wir sind aber bereit, mit allen demokratischen Parteien zu sprechen.“

„Das fand ich sehr gut“
Für eine Schülerzeitung ist es nicht alltäglich, einen Bundespolitiker zu interviewen. Wie Hofreiter auf sie gewirkt hat? „Er hat sehr direkt geantwortet“, sagt Patrick Domke, einer der Sidekick-Macher. „Und er hat auch Fehler eingeräumt, was ja nicht jeder Politiker macht. Das fand ich sehr gut.“

Sehr gut fanden ihn, dem Beifall nach zu urteilen, auch die rund 60 Zuhörer im vollbesetzten Foyer des Bürgerhauses. „Fleischfabrik Deutschland“, so heißt das neue Buch des promovierten Biologen, dessen wichtigste Aussagen er in Schwabach vorstellte.

Das Buch ist eine Abrechnung mit industrieller Massentierhaltung und Arbeitsbedingungen, die Hofreiter „Ausbeutung in den großen Schlachtbetrieben“ nennt. In diesem zynischen Geschäft nehme Deutschland als einer der größten Fleischproduzenten eine skandalöse Schlüsselposition ein.

Hofreiter fordert deshalb eine neue Weichenstellung in der Landwirtschaft. Die Vorschläge reichen von einer „Putenhaltungsverordnung“ („Puten sind die am meisten gequälten Tiere“) bis hin zu einer anderen Subventionsvergabe. „Zwischen 2020 und 2027 werden in der EU wieder 350 Milliarden Euro für die Landwirtschaft verteilt“, sagt Hofreiter. Die Frage sei, wer wie viel für was bekomme.

Die Grünen wollen ökologische Landwirtschaft weiter forcieren: „Ich halte gar nichts davon, auf die Verbraucher zu schimpfen. Es wird nicht zu wenig Bio gekauft, sondern es wird zu wenig Bio produziert.“

Einen klaren Kurswechsel fordert Hofreiter auch beim Klimaschutz und der Verkehrspolitik, zwei ohnehin eng verbundene Politikfelder. Bereits vor der Veranstaltung im Bürgerhaus berichtet er beim Pressegespräch mit dem Schwabacher Tagblatt von einer Reise in die Arktis. Zusammen mit 25 Wissenschaftlern war er fünf Tage auf einer Klimaforschungsstation. „Danach war ich noch besorgter“, berichtet er. „Die Arktis erwärmt sich noch deutlich schneller als der Rest des Planeten. Das Eis schmilzt. Die spannende Frage ist, wie hoch der Meeresspiegel bis Ende des Jahrhunderts steigt: 80 Zentimeter oder einen, zwei oder gar drei Meter. Bei drei Metern wäre Hamburg weg.“

Deshalb müssten den Ankündigungen endlich wirksame Taten folgen. „Der Kohlendioxidausstoß in Deutschland war 2016 genauso hoch wie 2009. Und was macht Frau Merkel für den Klimaschutz? Sie redet halt drüber“, kritisiert Hofreiter.

Weg von Benzin und Diesel
Handeln sei gefragt, auch mutiges. Hofreiter fordert, ab 2030 keine neuen Autos mit Verbrennungsmotoren mehr zuzulassen. Selbst der grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat dies als „Schwachsinn“ bezeichnet. Hofreiter beeindruckt das nicht. Sein Argument: „Autos haben eine durchschnittliche Lebensdauer von 18 Jahren. Wenn wir bis 2050 emissionsfreie Autos haben wollen, dann müssen wir 2030 damit anfangen.“

Dabei geht es ihm nicht nur ums Klima, sondern auch um Arbeitsplätze in der deutschen Autoindustrie. Der Umstieg auf Elektrofahrzeuge sei die Zukunft. Firmen wie Tesla machten „richtig, richtig Druck“. Von dieser Entwicklung dürfe sich Deutschland nicht abhängen lassen. „Deshalb dürfen wir nicht weiter auf die Technologie des vorigen Jahrhunderts setzten.“

© GÜNTHER WILHELM | SCHWABACHER TAGBLATT



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