Europa am praktischen Beispiel: Verkehrspolitik


Das Thema Europa ist spätestens seit der Brexit-Entscheidung im vergangenen Jahr in aller Munde. Für die Schwabacher Grünen war das Grund genug, die Europäische Union in einer zweiteiligen Veranstaltungsreihe unter verschiedenen Gesichtspunkten zu beleuchten. Gast des zweiten Abends war Michael Cramer, Verkehrsexperte der Grünen Fraktion im Europa-Parlament und bis Januar 2017 Vorsitzender des Ausschusses für Verkehr und Tourismus im EU-Parlament.

In seinen Begrüßungsworten deutete Kreisvorstand Bernhard Spachmüller die Bedeutung des Verkehrs in der EU an. Die Tatsache, dass Tore und Brücken auf den Euro-Scheinen abgebildet werden, zeige deutlich, dass der Verkehr von Menschen und Gütern einen bedeutenden Wert darstelle. Die Brücke sei ein eindrucksvolles Symbol für das Ziel der EU, Schranken zwischen Staaten und in Köpfen abzubauen.

Michael Cramer zeigte, dass die klimarelevanten Treibhausemissionen in den Bereichen Landwirtschaft, Energieerzeugung, Industrie und Privathaushalten seit 1990 um 20 - 40 % reduziert werden konnten. Im Verkehr sind die Emissionen im gleichen Zeitraum um über 20 % gestiegen. Der Verkehr verursacht 30 % der CO2-Emissionen in der EU, knapp 3/4 davon gehen zu Lasten des Straßenverkehrs. Um die Emissionen nennenswert zu senken, müsse der Güterverkehr auf der Bahn gestärkt werden. Dass dies schwierig ist, wusste bereits Johannes Ludewig, ehemaliger CDU-Staatssekretär und Vorstandsvorsitzender der DB (1997-99) der von Cramer zitiert wurde: "Im Verkehrsbereich ist die Marktwirtschaft außer Kraft gesetzt."

Den unfairen Wettbewerb weist Cramer beispielhaft nach, in dem er zeigt, dass die Schienen-Nutzungsgebühr für Züge seit 2010 um 13 % gestiegen, während die Lkw-Maut um 15 % gefallen ist. Der Bahnverkehr in Deutschland wird mit dem vollen Umsatzsteuersatz besteuert, während er in vielen Staaten Europas (u.a. Frankreich, Italien, Großbritannien) überhaupt nicht besteuert wird. Stattdessen wird der Luftverkehr in Deutschland sogar steuerlich subventioniert. Während im Rahmen der Verkehrsprojekte Deutsche Einheit viel Geld in Autobahnprojekte gesteckt wurde, warten wichtige internationale Lückenschlüsse im Bahnbereich, z.T. noch kriegsbedingt, auf Behebung. Im Lkw- und zunehmend auch im Luftverkehr werden sklavenartige Arbeitsverhältnisse und Lohndumping geduldet, was sich auf die Transportpreise auswirke.

Cramer fordert noch nicht einmal die Bevorzugung des ökologisch besseren Verkehrsmittels Bahn. "Ich würde mich mit einer echten Gleichbehandlung aller Verkehrsträger zufrieden geben.", so sein Wunsch.

In kleinen Schritten gehe es jedoch voran. Cramer lobte die fraktionsübergreifende Zusammenarbeit mit seinen Kollegen. So konnten Grüne zusammen mit Verkehrsexperten der EVP-Fraktion (dazu gehören auch CDU/CSU) durchsetzen, dass 40 % der Investitionen im Verkehrsbereich in den Schienenverehr fließen müssen. "In deutschen Landesparlamenten oder im Bundestag sind derartige Beschlüsse vollkommen undenkbar", so Cramer.

Zum Abschluss ging Cramer noch auf die zunehmende Bedeutung des Radverkehrs ein. Mit relativ geringen Investitionskosten können sowohl im Alltagsleben, wie auch im Tourismus erhebliche positive Effekte erzielt werden. So konnte Serbien durch geeignete Maßnahmen die Anzahl der Radtouristen von 500 (2008) auf 13.000 (2012) steigern. Die Fahrradindustrie beschäftigt fast 700.000 Menschen, mehr als in Bergbau und Stahlproduktion zusammen. In den wachsenden Städten ist der Radverkehr ein wesentliches Mittel zur Vermeidung von Verkehrsstaus. Auch in der lokalen Warenverteilung könnten elektrisch unterstützte Cargo-Bikes, die bis zu 250 kg transportieren können, ein wichtiger Faktor werden. Am 8. Oktober 2015 beschlossen die EU-Verkehrsminister einstimmig eine "Roadmap Bicycle", in der entsprechende Maßnahmen festgeschrieben wurden. Cramer ist sich sicher, dass "dies nur durch eine gute fraktionsübergreifende und faktenorientierte Zusammenarbeit der wesentlichen Fraktionen erreicht wurde. Das EU-Parlament ist eine innovative Triebfeder, die den Parteienstreit in den nationalen Parlamenten aushebelt."


Mit einer Flasche Schwabacher Goldsekt wurde Michael Cramer verabschiedet. (Foto: Oeser)








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