,So hoch könnt ihr gar keine Mauern bauen‘

Vor mehr als drei Jahren hat der Regisseur Erwin Wagenhofer bereits die drohenden Zeichen der Zeit erkannt und den heute wegen der weltweiten Finanzkrise topaktuellen Film «Let’s Make Money» gedreht. Der Schriftsteller Caspar Dohmen begleitete den Film und veröffentlichte gleichzeitig ein Buch mit dem selben Titel und der selben Aktualität. Dies war Anlass für die Grünen, gemeinsam mit dem Bund Naturschutz den Film öffentlich mit Diskussion im Schwabacher Filmkino Scala anzubieten.

SCHWABACH - Ein rundum voller Erfolg bei vollem Haus, so könnte man diese Veranstaltung bezeichnen, wenn die Inhalte von Film und Diskussion nicht so dramatisch wirklichkeitsnah wären. Tatsache ist, dass die meisten Menschen nicht wissen, was die Banken mit dem von ihnen erspartem Geld tun und in welche Kreisläufe des globalen Finanzmarktes dieses Geld eingespeist wird, mit welchen Risiken und Konsequenzen. Erst jetzt, wo sich Banken reihenweise als zahlungsunfähig erklären und Regierungen mit Milliarden Steuergeldern helfend einspringen, wollen viele mehr wissen über das weltweite Geflecht der Finanztransaktionen.

Schwerstarbeit für Hungerlohn

Erwin Wagenhofer hat für seinen Film Orte besucht, an denen für unsere Guthaben entsprechende Renditen erzielt werden. Orte in Afrika, wo Gold abgebaut wird, aber vom Gewinn nur drei Prozent in Afrika bleiben, 97 Prozent aber in die westliche Welt gehen; Orte in Bukina Faso, wo die Menschen nicht mehr vom Anbau der Baumwolle leben können, Orte in Indien, wo in Steinbrüchen vor allem Kinder und Frauen Schwerstarbeit für Hungerlohn leisten, aber auch Orte auf den Jersey-Inseln, der wichtigsten Steueroase, oder Almeria an der Südküste Spaniens, wo tausende von immer noch leerstehenden Wohnungen mit Anschluss an Golfplätze gebaut wurden, die allesamt nur der Geldvermehrung für Rentenfonds dienen sollten.

Auch die Bedeutung der Weltbank für diese Entwicklung, die nur wenigen nützt und vielen schadet, wurde herausgearbeitet.

Der Film erklärt die globale Entwicklungen, die den Zuschauer zunächst «erschlägt» und anschließend zum Nachdenken zwingt, inwieweit er selbst Teil des Systems ist und wie er etwas an dieser Entwicklung ändern könne.

Bei der anschließenden Diskussion äußerte sich zunächst der Schwabacher Stadtkämmerer Richard Schwager, der noch Tags zuvor die Rekord-Nettoneuverschuldung als bitte Pille bezeichnet hatte. Karin Holluba-Rau, die im Auftrag der Grünen und des Bund Naturschutzes diese Veranstaltung gemanagt hatte, fragte ihn, ob aufgrund der Informationen im Film verantwortliche Menschen nicht von einer «tödlichen» Pille sprechen müssten. Schwager betonte, dass eine Umverteilung unbedingt nachhaltig gelöst werden müsse, weil sonst wirklich das eintrete, was im Film eindrücklich formuliert worden war: «Wir Afrikaner werden nach Europa auswandern müssen, wenn unsere Schulden, in die uns die reichen Länder getrieben haben, nicht abgebaut werden. So hoch könnt ihr gar keine Mauern bauen, dass wir sie nicht überwinden könnten.» Ein Satz, der vielen Zuschauern unter die Haut ging. Schwager hob hervor, dass Schwabach als kleines Rädchen im großen Geld-Weltgetriebe mit seiner Verschuldung und mit seinen

Anlagen und seiner regionalen Vernetzung verhältnismäßig gut dastehe. Er sei Optimist, es werde Lösungen geben.

Noch einmal Glück gehabt

Sparkassen-Direktor Matthias Nester wurde von der Diskussionsleiterin Karin Holluba-Rau gefragt, ob denn die «eine Zehntelsekunde vor der Kernschmelze» abgewendete Finanzkrise nicht schon längst vorhersehbar gewesen war, angesichts der Tatsache, dass der Film bereits vor drei Jahren in Angriff genommen wurde. Die Antwort dazu: Wir haben noch einmal Glück gehabt, hätten die Staaten nicht sofort reagiert, dann hätten wir eine Weltwirtschaftskrise wie in Schweden oder in den 20er-Jahren gehabt. Die Sparkassen seien regional verankert, ein Ausflug in die weite Welt sei untersagt. Das träfe leider nicht auf die Landesbanken zu, an deren Verlusten sich die Sparkassen beteiligen müssten. Auch wenn die globalisierten Finanzströme weltweit oft großen Schaden anrichten würden, so müsse doch andererseits die Hilfe im Kleinen gesehen werden. Bestes Beispiel die Schwabacher Partnergemeinde im Senegal, Gossas, die viel Hilfe aus der Stadt erfahre.

Kleine zahlen die Zeche

Eckhard Göll von der Initiative Regio-Geld griff den Aufruf des SPD-Bundestagsabgeordneten Hermann Scheer vom Ende des Films auf: «Letztendlich zahlen immer die Kleinen die Zeche, organisiert Euch, um diesem Prozess entgegen zu treten». Er zeigte, dass 11,7 Trillionen Dollar, die, so der Film, in Steueroasen geparkt sind, immer wieder neue Anlagen mit möglichst hohem Zins und Zinseszins suchen würden, also Geld, das vor Ort, den Kommunen, dem Staat, den Entwicklungsländern, den einzelnen Bürgern vor Ort und weltweit fehlt. Göll betonte, dass regionales Geld, das nicht auf Rendite angelegt ist, sondern regionale Wirtschaftskreisläufe stärkt, eine gute Option für den Bürger sei. Er erlaubte sich auch zu sagen: «Mit den öffentlichen Geldern, die jetzt von der Regierung im Paket geschnürt und dann verteilt werden sollen, wird nur ein bestehendes System weiter gestützt, welches bereits versagt hat und nicht nachhaltig und zukunftsfähig ist. Das ist der eigentliche Skandal.»

Auch das Publikum hatte viele Fragen und Anregungen: Jeder kaufe nur billig ein und suche nach der Rendite mit möglichst hohem Gewinn, jeder müsse bei sich anfangen. Eine andere Meinung: Das hohe Verlustrisiko, das uns die Politik beschert, habe viel mit Korruption zu tun. Oder eine andere Frage, die im Augenblick wohl viele Bürger beschäftigt: Von wem leiht sich der Staat eigentlich das Geld, an wen gehen die Zinsen?

Das Thema Geld ist hochaktuell, wie die Veranstaltung zeigte. Die Regio-Geld-Initiative «Mittel-Franken» plant dazu weitere Informationen und Diskussionen. Sie trifft sich das nächste Mal am Donnerstag, 5. Februar, 20 Uhr, im Turm des Geschichts- und Heimatvereins und stellt dabei ihre Ideen für neue Wege aus der Finanzkrise vor.

Kontakt: Karin Holluba-Rau, Telefon (0 91 22) 1 24 61.

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