18.07.2008: Politik fragt beim Experten nach

Das würde Claudia Roth nicht vermuten, als sie in dem kleinen Ortsteil Göggelsbuch bei Allersberg in die schmale Seitenstraße einbiegt. Im Haus Nummer 2 wird daran geforscht und gearbeitet, was die Bundesvorsitzende der Grünen für richtig und wichtig hält: nachwachsende Energie. Thomas Kaiser, einer der drei Gesellschafter der «Vereinigten Werkstätten für Pflanzenöltechnologie« (VWP), stellt ihr die Firma so begeistert für grüne Ideen vor, dass die Politikerin nach zwei Stunden mit einem dicken Spickzettel abfährt.

GÖGGELSBUCH - Eigentlich ist es ein Wahlkampftermin für Claudia Roth und den Münchener Bundestagsabgeordneten Dr. Toni Hofreiter, die zusammen auf Bayern-Tour sind und einen ganzen Tross von grünen Wahlkämpfern aus der Region im Gefolge haben. Doch das Gespräch mit Thomas Kaiser hat wirklich Inhalt, von kleinteiliger Landwirtschaft bis globaler Energiekrisenbewältigung, von regionaler Ölmühle bis Rettung der Welt von und mit Klimawandel. Genau wie Kaiser selbst über die Zehn-Mann-Firma von sich und den Mitgesellschaftern Georg Gruber und Alois Dotzer sagt: «Mit Pflanzenöl lässt sich die Welt zwar nicht retten, aber versuchen kann man es trotzdem.«

Da liegt er bei Claudia Roth und Toni Hofreiter genau richtig. Denn die Grünen wollen «dem apokalyptischen Katastrophismus neue Ideen« entgegensetzen. Das propagiert die dynamische, immer jugendlich scheinende Powerfrau mit den blondpink gestreiften Haaren, der grünen Lederjacke und dem (heute) blauen Schal auch beim Gespräch in Göggelsbuch.

Die Ideen dafür liegen hier zuhauf im Labor herum. Thomas Kaiser lobt zwar die vormalige Koalitionsregierung für Zuspruch und Ermutigung, fordert aber heute die grünen Gäste auf, die Politik wieder für Innovationen zu öffnen. In der Forscherwerkstatt, wo die «Drei von der Tankstelle« an der Produktion von Pflanzenöl zu Treibstoff arbeiten und zum Beispiel große Schlepper der US-Firma John Deere gerade auf Pflanzenöltauglichkeit umrüsten, vergräbt Kaiser seine Hände immer wieder in einem Schälchen mit Leindottersamen. «Nutzt doch unseren Sachverstand!«, fordert er die Politiker auf. Von den zwölf Ölpflanzensorten, die bei uns wachsen können, werde nur aus einer Sorte Treibstoff hergestellt, «das ist falsch«. Monokulturen schaffen naturgemäß neue Probleme, einseitiger Rapsanbau fördere natürlich den Rapspflanzenkäfer.

Doch bei aller Verteufelung von Raps gibt Kaiser zu bedenken: «Was spricht denn dagegen, dass wir das anbauen, was wir auch brauchen?« Und verweist auf 600 kleine Ölmühlen in Deutschland.

Und mit der Hand im Schälchen erinnert Kaiser an das Öl aus dem Leindottersamen. Erst jetzt werde die Pflanze als Futtermittel zugelassen. Dabei liefere sie hochwertiges Öl, ergänzt die grüne Bezirkstagskandidatin für Schwabach, Karin Holluba-Rau, und diene als Unkrautbekämpfungsmittel, «ohne dass gespritzt werden muss.« Besserer Feuchtigkeitshaushalt, Schutz vor Platzregen und mehr kommen dazu, setzt Wolfgang Scharpff vom grünen Kreisvorstand Roth dazu.

Mit dem tiefwurzelnden Leindotter, der CO2 im Boden bindet, geht Kaiser das nächste Thema an: die Lagerung von Kohlenstoff im Boden (Sequestrierung), funktioniert nur in gesunden Humusböden. Statt einfach das CO2 von oben in die Erde zu packen, wie es die Kraftwerksbauer suggerieren, sei mit «intelligenter Landwirtschaft« guter Boden möglich. Aber da sei die Politik gefragt.

Als Claudia Roth nachfragt, in welcher Weise denn die «Sequestrierung in bio« belohnt werden könne, entfährt es Kaiser: «Ja Kinder, drum red ich doch mit euch« und empfiehlt, wie Biologe Hofreiter, CO2-Bodenmessungen, um Bauern für ihr Bodenmanagement zu belohnen.

Der Ideen sind viele, und Kaiser lobt die grünen Vertreter nochmals: «Ihr habt großen Anteil daran, dass wir mit unserer Arbeit so weit gekommen sind.« Aber neue Lösungen seien wichtig, gibt er den Politikern mit auf den Weg, als sie sich in der Werkstatt die Umrüstung des Riesenschleppers auf Pflanzenöl ansehen. Und während Roth und Hofreiter von Göggelsbuch weiter nach Ulm und Augsburg tingeln, setzt sich Thomas Kaiser in den Zug nach Berlin, um dort energiepolitische Lösungen zu diskutieren - natürlich mit einem grünen Politiker.

© Car

zurück

GRUENE.DE News

<![CDATA[Neues]]>