30.07.08: Anfrage zur Berliner Straße

Karin Holluba-Rau
Stadträtin, Pflegerin für Umwelt und Naturschutz                        29.07.08



Herrn Oberbürgermeister
Matthias Thürauf
91126 Schwabach


Rechtliche Nachfragen zur Bebauung der Berliner Straße

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister
Sehr geehrter Herr Schmitt-Timmermanns


Ich bitte als Pflegerin für Umwelt und Naturschutz um Beantwortung folgender Anfrage und zwar in schriftlicher Form noch vor der kommenden Stadtratssitzung. Ich bitte die Antwort so zu formulieren, dass sie rechtlich stichfest und überprüfbar ist.  Ich bitte zugleich um mündliche Beantwortung im Stadtrat, damit die Problematik auch von den Kollegen und Kolleginnen wahrgenommen werden kann.

Zur Klärung zunächst noch verschiedene Zitate aus dem Grebegutachten von 1991:
Die Waldflächen südöstlich der Berliner Straße wurden durch Verordnung vom 16.09.83 als Landschaftsschutzgebiet von der Regierung von Mittelfranken festgesetzt. ... besondere Schutzwürdigkeit....
Vegatation: Sandkiefernwald, Flechtenkiefernwald, diese Waldtypen gehören zu den  nach §6d1 Bay Naturschutzgesetz geschützten Trockenstandorten
der vom Bay. Naturschutzgesetz geforderte Ausgleich ist nicht möglich.
Die verbleibeneden Verluste von etwa 5ha sind durch Verbesserung des verbleibenden Waldes... auszugleichen.
Die Förderung der Standortqualität umfasst .... Maßnahmen zur Verhinderung des weiteren Vordringens der Eutrophierung  in die 6d1-Bereiche . Anzustreben ist die Realisierung möglichst vieler Maßnahmen im Plangebiet.

Ich bitte in diesem Zusammenhang um folgende Information: Wenn es sich hier um eine so wertvolle Naturfläche handelt, die eigentlich nicht ausgeglichen werden kann, muss zunächst vor irgendwelchen Entscheidungen definiert werden, ob überhaupt und wie ausgegleichen werden kann, und wie dies rechtlich zu sehen und zu beurteilen ist.

In der nun neu erstellten Umweltprüfung bzw Umweltbericht, das erstaunlicher Weise(!) nicht von dem Büro, das 1991 die Untersuchungen für die damalige Umweltverträglichkeitsprüfung getätigt hat - obwohl dieses Büro aus Schwabach  noch immer solche Gutachten macht -  ist zu lesen, dass es im Plangebiet nur noch „13D-Fragmente“ gibt.
Einen Begriff von „13D-Fragmenten“ gibt es im Gesetz nicht. Es gibt meines Kenntnisstandes nach im Gesetz auch keine Größenbegrenzung bei 13d Flächen wie bei Biotopen. Wie ist also der Begriff 13d-Fragmente rechtlich zu verstehen? Wie ist er zu definieren? Welche Aussagen stehen hinter diesem Begriff?
Ist aus dieser Aussage zu schließen, dass die wertvollen 13d-Flächen in den letzten Jahrzehnten zum Teil verloren gegangen sind? Sich nur dort befinden, wo die Baubehörde sie  gerne haben möchte?
Könnte daraus wiederum der Schluss gezogen werden, dass der damals im der UVP von 1993 getroffenen Anweisung  zum Erhalt der 6d heute 13d nicht Folge geleistet  wurde und die Stadt  durch Unterlassung von Pflegemaßnahmen bewußt die wertvollsten Schwabacher Naturflächen einer teilweisen Zerstörung aussetzte,  um dann wiederum heute genau die Fläche einer Bebauung zuführen zu können?
Bedauerlicher Weise ist nur die bewußte Zerstörung von 6d bzw 13d-Flächen rechtlich einklagbar, aber nicht die Zerstörung durch jahrelange Unterlassung von Pflege.
Wie würde sich aber eine Stadt, die ständig bemüht ist, sich bei europaweiten Auschreibungen in Sachen Naturschutz zu präsentieren, in Zukunft verhalten, wenn öffentlich bekannt werden müßte, dass durch Unterlassung von Pflege, die in der Umweltverträglichkeitsprüfung bereits 1991 festbeschrieben war, es zu einer teilweisen, bewußt gelenkten Zerstörung von wertvollsten 13d Flächen gekommen sei?

Im  Artikel 13d des Bay. Naturschutzgesetzes unter Punkt 1 steht: „Maßnahmen, die zu einer Zerstörung oder sonstigen erheblichen Beeinträchtigungen führen können, sind unzulässig.“
Im Art13d Punkt 2 steht: „Für eine Maßnahme kann auf Antrag eine Ausnahme zugelassen werden, wenn die Beeinträchtigungen der jeweiligen Standorteigenschaften ausgeglichen werden können.“

Eine Entscheidung, ob die Ausnahme der Ausgleichsmöglichkeit überhaupt zutreffen könnte, kann eigentlich erst geklärt werden, wenn im Rahmen einer SAP die Fläche beurteilt ist. Die im Augenblick vorliegende Umweltverträglichkeitsprüfung und Umweltbericht ist, wie oben bereits erwähnt, rechtlich falsch bzw unvollkommen.
Die wertvollen 13d-Flächen, Sandkiefernwald bzw Flechtenkiefernwald, müssen laut Gesetz siehe Punkt 2 artgleich ausgeglichen werden. Es muss also bereits jetzt geklärt werden, wie groß diese Flächen sind und ob und wo dieser Ausgleich überhaupt möglich ist.
Es muß auch ein Bewußtsein dafür geschaffen werden, dass diese Flächen zusätzlich auch noch für sich ausgeglichen werden müssen.
 
Ist somit zum jetzigen Zeitpunkt eine Entscheidung für eine Bebauung rechtlich überhaupt möglich?

Im  Art 13d Punkt 2 steht weiterhin zu lesen, dass eine Ausnahme zugelassen werden kann, wenn die Maßnahme aus überwiegenden Gründen des Allgemeinwohls notwendig ist.

Wie wird im vorliegenden Fall der Begriff Allgemeinwohl definiert?
Kann der Begriff „Allgemeinwohl“ im vorliegenden Fall überhaupt angewendet werden, wenn der Allgemeinwohlzweck mit der Einrichtung der Lebenshilfe stadtgrenzüberschreitend definiert werden muss?

Im  Art13d Punkt 5 „Werden Maßnahmen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften begonnen oder durchgeführt, kann die Einstellung angeordnet werden. Die Wiederherstellung des ursprünglichen kann Zustandes verlangt werden.“

Mit welchen Folgen ist zu rechnen, wenn die Erhaltung der gesetzlich geschützten Flächen eingeklagt werden?

Das jetzt zur Bebauung in Augenschein genommene Gebiet ist seit 1983 Landschaftsschutzgebiet. Im B-Plan ist die Waldfläche als Wald dargestellt und somit zunächst auch als Wald gesichert! 1993 gelang es, eine inzwischen bebaute Fläche aus der LSG-Verordnung herauszunehmen. Die Umwandlung einer fast so wertvollen Naturfläche wie die jetzige im LSG war damals nur möglich, weil die Ausgleichsregelung noch nicht als rechtliches Instrument griff.

Dazu folgende Nachfragen:
Für Eingriffe in Landschaftsschutzgebiete ist meines Wissens entweder eine Befreiung  oder eine Veränderungsverordung der LSG-Verordnung notwendig.
Sollte im vorliegenden Fall eine Befreiung erteilt werden, so müßte meines Wissens diese Befreiung durch Abwägung im Stadtrat erfolgen. Das würde bedeuten, dass sich der Stadtrat bewußt gegen die Belange des Naturschutzes aussprechenn müßte und die sozialen Belange der Lebenshilfe über die des Naturschutzes stellen müßte. Dazu muß meiner Ansicht nach aber erst die rechtliche Beurteilungsmöglichkeit mit einer SAP geschaffen werden. Das bedeutet, dass zum augenblicklichen Zeitpunkt nur eine Entscheidung für die Ökologie, aber nicht gegen die Ökologie und für die soziale Einrichtung möglich ist.
Bei einer Entscheidung für eine Veränderung der LSG-Verordnung müßte meiner Ansicht nach   zunächst die Untere Naturschutzbehörde die Herausnahme prüfen und begründen. Damit wäre ein längeres Verfahren erfoderlich.
Die zentrale Frage: Wäre eine Befreiung bzw. eine Veränderung der Verordnung überhaupt denkbar? Denn hier handelt es sich doch um ein Gebiet, das durch die LSG-Verordnung einen notwendigen Schutz erfährt und nicht zur Zerstörung vorgesehen ist!

Nachdem die Stadt für die oben genannten Flächen eine B-Planänderung vorsieht, ist sie auch für den Ausgleich verantwortlich. Nachdem es sich um eine der wertvollsten Naturflächen mit hohem Etnwicklungspotential in Schwabach handelt, muss vor jeglichen Entscheidungen zunächst ein Bewußtsein für den Wert dieser Naturfläche geschaffen werden.
Die Ausgleichsdiskussion für eine Fläche, die eigentlich nicht ausgleichbar ist,  muss so geführt werden, dass ein Bewußtsein für die Bedeutung und den Umfang des Ausgleiches entstehen kann.  Und sie muss auch vor allem dann geführt werden, wenn die finanziellen Entscheidungen anstehen, weil auch der Ausgleich kostet und gegen die Einnahmen verrechnet werden müssen. Also jetzt!
Für die Landwirtschaft wird der gesetzlich vorgeschriebene Ausgleich inzwischen zum Alptraum weil ihr Flächen zur Bewirtschaftung entzogen werden, so erst kürzlich mit Artikel und Leserbriefen wahrzunehmen. Bei einem extrem hohen Ausgleich wie im vorliegenden Fall, werden auch extrem viele Flächen in Anspruch genommen werden müssen!! -  es sein denn es handelt sich um eine versiegelte Fläche, die im Rahmen des Ausgleichs entsprechend rückgebaut werden wird.
Wenn die Stadtverwaltung glaubt, dass sie für eine so wertvolle Fläche den Ausgleich extrem billig halten kann, dann ist das zunächst nicht nachvollziehbar und muß sofort vorgelegt werden. Noch immer hat sich landauf land ab bewahrheitet, dass pro Ausgleichspunkt mit 15 bis 30 Euro zu rechnen ist. Selbst im Leitfaden „Bauen im Einklang mit Natur und Landschaft“ vom Bay.  Staatsministerium für Umwelt ist bei einer so wertvollen Naturfläche mit der dreifachen Ausgleichsfläche, also mit bis zu ca 57.000qm zu rechnen.
Teile des Ausgleichs könnten vielleicht auch auf der zu bebauende Fläche erfolgen. Im vorliegenden Fall, wo bereits auf Grund der Vorbeurteilung damit zu rechnen ist, dass der Ausgleich mit höchster Punktzahl zu erfolgen hat, werden meiner Erfahrung nach sicher trotzdem noch ca 15.000 Punkte extern auszugleichen sein.
Eine solch hohe Punktzahl mußte bei immer knapper werdenden städtischen Flächen bis heute noch nie! im Ausgleich (auch bei Niehoff geringer) erreicht werden.
Bei Zugriff auf externe Flächen muss Fläche gekauft oder angepachtet oder der Ausgleich notariell an Privatpersonen übertragen werden. Der Preis dafür wird sehr hoch sein. Diese Kosten müssen genau so auf den Tisch wie der Verkaufspreis.
Ich bitte dringend um die überschlägige Darstellung der Kosten, damit auch der monitäre Gewinn und Verlust im Vergleich betrachtet werden können und der Verlust von Ökologie auch monitär beurteilt werden kann.

Mit freundlichen Grüßen

Karin Holluba-Rau


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