Es wird kein Gedenken mit der Löschtaste möglich sein

Ich möchte mich ausdrücklich bei dem Kollegen Freller für seine Initiative bedanken.
Sie gibt dem Schwabacher Stadtrat insgesamt wie auch uns als Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen die Gelegenheit, den derzeitigen Stand der Erinnerungs- und Gedenkkultur in unserer Stadt näher zu betrachten.

Das Jahr 2009 ist in vielerlei Hinsicht geeignet, sich historischen Themen zu widmen. 1919, 1939, 1949, 1989 stehen symbolisch als Jahreszahlen für tiefgreifende Ereignisse im Deutschland des 20. Jahrhunderts – mit ihren jeweiligen Auswirkungen über die nationalstaatlichen Grenzen hinaus.

Die Veröffentlichungen zum Thema „Ehrenbürgerschaft in Schwabach“ in verschiedenen Medien der letzten Tage zeigen: Auch im 60. Jahr der Bundesrepublik und in den seither aufgewachsenen Generationen beschäftigt uns – mit zunehmendem zeitlichen Abstand zwar – die Frage des Umgangs mit dem Erbe der Nazi-Diktatur und der Verantwortung dafür.

Aus Respekt vor den Opfern der NS-Diktatur sei gesagt, dass auch im Jahr 2009 und in Schwabach – im Gegensatz zu den alltäglichen kommunalpolitischen Themen - eine kühle und distanzierte Debatte um den vorliegenden Antrag schwer möglich ist.
Dies bringt auch zum Ausdruck, dass eine Auseinandersetzung mit der Geschichte nicht zum Abschluss gebracht werden kann. So wenig, wie es zu irgendeiner Zeit eine „Stunde Null“ gab, wird der „Schlussstrich“ gezogen werden können und es wird kein Gedenken mit der Löschtaste möglich sein. Auch wird es keinen rein deklaratorischen Umgang mit diesem geschichtlichen Erbe geben können.

Zu den Akten des nationalsozialistischen Unrechtsregimes gehörten in dessen Anfangsjahren die oktroyierten Ehrenbürgerschaften. In Tausenden deutscher Städte, auch in Schwabach. Ein Akt der totalitären Durchdringung in alle Bereiche der Gesellschaft. Unter breitester Zustimmung der Bevölkerung.

Nach der Befreiung vom NS-Terrorregime haben die kommunalpolitisch Verantwortlichen – nach all dem, was wir bis heute wissen: bewusst - keine Löschung dieser Akte vorgenommen; auch aus der Überlegung heraus, dass dies ein verantwortlicher Umgang mit der Geschichte sei. Der erste Oberbürgermeister Schwabachs, Hans Hocheder, war ein Opfer des NS-Regimes, das macht diese Überlegung überzeugend.

Dass auch in der Folgezeit in Schwabach diese Sichtweise vorherrschte, muss nicht in allen Teilen des Stadtrates und der Stadtöffentlichkeit ein immer bewusster Akt gewesen sein. Wir alle wissen, dass die Geschichte der Bundesrepublik in bestimmten Phasen intensiv auch eine Geschichte des Verdrängens und des Wegsehens ist.

In Schwabach begann – spät wie in der gesamten Bundesrepublik – eine interessierte, systematische Auseinandersetzung mit der lokalen NS-Geschichte in den 80er Jahren. Die Ausstellung „unterbelichtet“ hatte eine Initialwirkung.

Auf die großen Projekte „vergessen und verdrängt“  und „Wohlstand, Widerstand und Wandel“ wird die Kollegin Dr. Weigand mit der Kompetenz der Beteiligten eingehen.
An dieser Stelle sei gesagt: mit diesen Projekten ist uns in der Stadt ein recht umfassender Überblick über die Lokalgeschichte des 20. Jahrhunderts – auch mit Beispielcharakter für andere Orte – gelungen.

Daher meine ich, stellt sich eine Frage „Wieso erst jetzt?“ nicht!

Fragen können aber gestellt werden.

Z.B. Soll nun im Jahr 2009 der Unrechtsakt von 1933 für nichtig erklärt werden?
Ja! Ohne Wenn und Aber!

Eine weitere Frage muss sich anschließen:
Was folgt aus dieser Erklärung zum jetzigen Zeitpunkt?
Der Schlussstrich kann es nicht sein.
Der OB hat eine Konsequenz angesprochen, was die Betrachtung der Straßenbenennungen betrifft. Darauf hat sich der Hauptausschuss auf unsere Initiative hin verständigt und diesen Weg halten wir für richtig.

„Nur, wer weiß, woher er kommt, weiß, wohin er geht“ – dieses Zitat des ersten Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland, Theodor Heuß, ist ein gern verwendeter Sinnspruch für Sonntagsreden mit historischen Themen.

Soll dieser Gedanke mehr sein als politisch-historisch korrekte Lyrik, dann müssen wir uns der Frage stellen: wie gehen wir heute um mit den immer wieder aufflackernden und auch in Mittelfranken präsenten Bedrohlichkeiten des Rechtsradikalismus? Des Antisemitismus? Der Fremdenfeindlichkeit?

Wer hier über die Ebene des Deklaratorischen hinaus will, muss genau hinsehen.
Auf die besonders gefährdeten Personengruppen: insbesondere z.B.: männliche Jugendliche und junge Männer ohne Bildungsabschluss, ohne Arbeit.
Muss einen Blick haben auf deren schulisches, arbeits- und freizeit-geprägtes Umfeld.
Prävention, Investitionen in Bildung  sind auch Schutz von Demokratie.

Eine Kommune muss sich auch mit anderen Kommunen vernetzen. „Rechtsextremismus ist längst keine Randerscheinung mehr...Der Rechtsextremismus beginnt langsam zu einem festen Bestandteil unseres Alltags zu werden. Dies müssen wir auch in der Metropolregion Nürnberg befürchten“ – so beginnt  der Text des Handlungsprogramms der Allianz gegen Rechtsextremismus in der Metropolregion vom vergangenen Donnerstag. Ich füge hinzu: Rechtsextremismus kann in allen Kommunen zum Problem werden, wo sich die Bürgerschaft, die politischen Kräfte und eine Gemeinde insgesamt nicht deutlich äußern und wegsehen.

Daher wünschen wir als grüne Fraktion  eine aktive Beteiligung Schwabachs an dieser Allianz! Diese wird koordiniert vom Bürgermeisteramt der Stadt Nürnberg, dieser Allianz sind bisher mehr als 100 Gemeinden beigetreten.

Von daher werden wir für die nächste Stadtratssitzung den Beitritt Schwabachs zu dieser Allianz beantragen. Wir tun dies nicht schon heute, weil mit dem Beitritt auch die Übernahme eines Handlungsprogramms verbunden ist, das im Vorfeld in den Gremien diskutiert werden muss.

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