So süß kann Solidarität sein

Bis zum letzten Platz gefüllt war die Eisdiele im Werzingerhof in Spalt-Wernfels just am Tag der bundesweiten Demonstrationen der Milchbauern in Mainz. Auf Einladung der Kreisverbände Roth und Schwabach von Bündnis 90/Die Grünen waren Verbraucherinnen und Verbraucher gekommen, um zu hören - und zu kosten - wie es die Landwirtsfamilie Pfahler geschafft hat, dass an ihr die Milchkrise vorüber geht.

Nach dem heißen Sommer 2003, erzählte Martin Pfahler aus Wernfels rückblickend, waren die Erträge von Hopfen, Getreide und Kartoffeln so dürftig, dass er nach Alternativen zu suchen begann. Eine Anzeige in einer Fachzeitschrift brachte ihn und seine Frau auf die Idee, es mit der Verarbeitung der eigenen Milch zu Speise-Eis zu versuchen. Was zunächst als Zuverdienst gedacht war, hat sich mit jährlichen Wachstumsraten von 30-40% rasch zum Vollzeitjob entwickelt. „Nebenbei ist nicht“, betonte Pfahler. Vier Personen seien mittlerweile ganztags auf dem „Eis-Hof“ beschäftigt - samstags und sonntags wird vor allem verkauft, auf Märkten und bei Festveranstaltungen.

Das Geheimnis des Erfolgs liegt in der Qualität, sind die Pfahlers überzeugt. Aus jährlich 28000 Litern Milch der 40 Kühe in ihrem Stall - die, das war den Besuchern sehr wichtig, gentechnikfrei gefüttert werden - wird Sahne und Joghurt als Basisprodukt für verschiedene Eissorten hergestellt, wobei für 1 Liter Eis etwa 4 – 5 Liter Milch benötigt werden. „Dass die restliche Magermilch in der Gülle endet, tut weh“, bemerkte Pfahler, doch bekam er auch die Akzeptanz von Seiten der Gäste: Das Düngen mit Milch als unmoralisch zu verdammen sei reichlich scheinheilig, wenn gleichzeitig massenweise industrielle Lebensmittel als wertlose Billigware auf den Markt und anschließend zu einem großen Teil wieder in den Müll geworfen werden.

Etwa 25 verschieden Sorten Eis hat der Werzingerhof im Sortiment, wobei nicht alle zu jeder Zeit zu haben sind. Da fast ausschließlich Früchte verarbeitet würden, hat jede Sorte ihre Saison. „Himbeereis gibt es dann, wenn die Nachbarin ihre Himbeeren vorbei bringt“, derzeit ist ein „Herbsteis“ mit Birnen und Holunder und ein Sorbet mit Kürbis und Orangen im Angebot.

Ein paar Kompromisse müssten freilich eingegangen werden, gestand Pfahler ein. So würden Erdbeeren der starken Nachfrage wegen ganzjährig tiefgefroren eingekauft und auch pasteurisiertes Eigelb von außerhalb bezogen. „Aber so etwas wie Kokosfett, künstliche Stabilisatoren oder Aromastoffe verwenden wir grundsätzlich nicht“, versicherte der „Eis-Bauer“. Der Vertrieb erfolge über Bauernläden, Gasthöfe (siehe www.pfahler-eis.de) und natürlich im Direktverkauf ab Hof, und, wie erwähnt, auf Märkten und Festen. Im Sommer liege der Umsatz bei 500-1000 Litern Eis pro Woche. Auch in Schwabach kann jeder in Genuß eines solchen Eises kommen. Es ist in der neuen Eisdiele am Vogelherd oder im Bauernladen zu haben.

Den Besuchern, unter ihnen nicht wenige Kinder, war mittlerweile das Wasser im Mund zusammengelaufen, so dass vor der Diskussionsrunde erst einmal geschleckt werden durfte. Von den Grünen waren u.a. mit dabei Bezirksrätin Birgit Raab (Weidenbach), Stadträtin Karin Holluba-Rau (Schwabach), Marktgemeinderat und Kreisrat Wolfgang Scharpff (Schwanstetten) sowie Kreisrätin Dr. Ursula Burkhardt (Spalt).

Wie Ursula Burkhardt anschließend erläuterte, sollten mit der Eisverkostung auf dem Werzingerhof zwei politische Anliegen von Bündnis 90/ Die Grünen transportiert werden: Zum einen appellieren sie an die Verbraucherinnen und Verbraucher, regional einzukaufen und heimische Qualität zu genießen. Jeder könnte so zum Erhalt der bäuerlichen Landwirtschaft und Landschaft, zur Eindämmung von Massentierhaltung, Massenproduktion und Massentransporten (samt Logistikzentren!)und gegen den Einsatz von Agro-Genetchnik seinen Teil beitragen.

Zweitens aber unterstützen die Grünen die fortgesetzten Proteste der Milchbauern und ihre Forderungen nach einem fairen Preis für ihr Erzeugnisse. Auf EU-Ebene gebe es nun Anzeichen für ein Umdenken, erste Möglichkeiten zur Milchmengenreduzierung wurden soeben für die Mitgliedsstaaten geschaffen, erläuterte Karin Holluba-Rau: „Diese Chancen für nationale Maßnahmen zum Abbau der Übermengen müssen die Ministerpräsidenten zur Rettung der bäuerlichen Landwirtschaft jetzt nutzen.“ Auch in diesem Punkt, ergänzte Wolfgang Scharpff, müsste der Bundesrat - ebenso wie beim Thema Steuersenkungen - den Vereinbarungen im schwarz-gelben Koalitionsvertrag entgegenwirken. Denn darin setzten CDU/CSU und FDP weiterhin sturköpfig auf die alten Konzepte zum Auslaufen der Mengenregulierung, Überschusserzeugung und Weltmarktfixierung.

„Es ist eine Schande“, ärgerte sich Birgit Raab, „wenn Milliarden von Steuergeldern für eine aggressive Markteroberungspolitik eingesetzt werden, die neben der Umwelt unsere Bauern ebenso ruiniert wie die in den Importländern.“ Denn der erfolgreiche Weg der Spalter Landwirtsfamilie, die Verwertung und Vermarktung ihrer Milch selbst in die Hand zu nehmen, sei eine glückliche Lösung für mutige Einzelkämpfer - auch ein paar Beispiele von hofeigener Käseherstellung könnten hier angeführt werden -, politisches Ziel aber bleibe die Regulierung des Milchmarkts.


Martin Pfahler, Wolfgang Scharpff, Birgit Raab, Dr. ursula Burkhardt und Karin Holluba-Rau lassen sich das Wernfels Naturprodukt schmecken.

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